Über Coaching und Manipulation.

„Okay, ich komm vorbei“, sage ich der Fürther Personalberaterin, „wir haben damals ja gut zusammengearbeitet.“
Damals ging es um einen Manager der „E2“, also zweite Führungsebene, der nicht mehr mit sich klar kam und sich restlos aufarbeitete. Er saß mir gegenüber wie ein Gespenst, und da er sich gegen jede Einsicht wehrte, half nur die brutale Methode: Ich machte ihm klar, dass er nur noch vier bis sechs Wochen hatte bis zum Überlastungskollaps. Da wurde er sehr still, bat mich, ihn zehn Minuten alleine zu lassen und entschloss sich dann zur Zusammenarbeit. Ab da fuhr ich einmal pro Woche die zweihundert Kilometer zu ihm, um mit ihm einen Nachmittag lang zu arbeiten, bis ich ihn wieder auf den Beinen hatte. Das Ergebnis freut mich heute noch.

Überhaupt ist das Wunderbare am Coaching-Beruf, dass man mithilfe analytischer Deutungen massiv positiv in ein fremdes Leben hineinwirken kann, das andernfalls höchstwahrscheinlich an die Wand fahren würde. – Coaching ist nun mal eine Investition, bei der der „revenue“ nicht in Prozent gemessen wird, sondern in Vielfachen.

„Ich möchte Ihnen nämlich einen neuen Klienten vorstellen. Mit mir kommt er angeblich nicht klar.“
„Ah so“, sage ich diskret. Schon der vorige Klient hatte mir anvertraut, dass sie ihn erst selber „gecoacht“ hatte und er sich nach der zweiten Sitzung geweigert hatte, mit ihr weiter zu arbeiten.
„Das versteh ich überhaupt nicht!“, hatte sie mir gesagt. „Dabei hab ich ihn echt gechallenged!“
Der Gentleman schweigt bei sowas. Aber ich transplantiere ja auch keine Leber, weil ich weiß, dass man sowas nicht in drei Wochenendseminaren erlernen kann. Ebenso wenig, wie man „Empathie“ als Technik erlernen kann. Sie ist Ausdruck einer reflektierten menschlichen Haltung und nicht Ergebnis eines Abendkurses.
Nun gut, ich fahre hin und bin wie stets sehr interessiert, wen ich da treffen werde.

Da staune ich aber nicht schlecht: der Klient ist gar nicht da. Vielmehr begegne ich der Personalberaterin und dem Geschäftsführer eines Unternehmens. Der geht ans Flipchart und hält mir ein Kurzreferat, in dem er mir einen Mitarbeiter seines Hauses schildert sowie dessen Stärken und – leider, leider – auch Schwächen. Und dann kommt es: Der fachlich überragende Mitarbeiter soll in die Geschäftsführung aufgenommen werden. Und damit er dort auch besteht, sind ihm folgende Eigenschaften anzucoachen: Flexibilität (er ist auf seinem Gebiet nicht zu schlagen, aber leider etwas schwerfällig in der Reaktion gegenüber Mitmenschen); Durchsetzungsvermögen (er ist ein sehr akademischer Mensch, der lieber prüft als anzuordnen und Mitarbeiter zur Schnecke zu machen); und letztlich noch etwas mehr Rückgrat gegen seine äußerst ehrgeizige Freundin, die ebenfalls in der Firma aktiv ist und, wie die Geschäftsführung weiß, ihn leider sehr unterm Pantoffel hat („Da sehen wir ein Problem.“). Die Personalberaterin diskutiert engagiert mit.

Unübersehbar ein guter Kunde, den sie bei Laune halten will.
„Ich hab gesagt, wenn einer das kann, dann Sie!“
Da sitzt man dann ja erst mal, so als Coach. „Sehr freundlich.“, sage ich schließlich.
„Wir wollen natürlich nichts über seinen Kopf hinweg entscheiden.“, sagt die Personalberaterin und der Geschäftsführer nickt.
„Natürlich nicht.“, sage ich. „Wer käme auf so eine Idee.“
„Aber wir brauchen Ergebnisse. Und möglichst zügig.“
„Bei der Gelegenheit könnt´ ich ihm ja auch noch ne andere Haarfarbe ancoachen. Falls die Sie stört.“
Irritiertes Schweigen. Man grübelt offenbar, ob ich das auch kann. Nach einigen weiteren Minuten verlasse ich das Gespräch. Mit einem Hals wie ein Pelikan.

Der Vorstellung, ein Coach habe im Auftrag der Geschäftsführung einen Mitarbeiter nach den Maßgaben des Unternehmens so zu modellieren, dass er für die Firma noch nützlicher wird, bin ich mehr als einmal begegnet. Sie basiert – neben einem beträchtlichen Maß an Naivität und Anmaßung  – auf der Annahme, dass der Coach dem Klienten „etwas sagt“, was ihn/sie in die vom Auftraggeber gewünschte Richtung bugsiert, egal ob er/sie das will oder nicht. („Sie können doch Hypnose, können Sie uns da nicht….etc.?“).

Da wird nur nix draus. Denn ein Coach wird seinen Klienten als solchen annehmen und ihm helfen, die Eigenschaften zu entwickeln, die a) in ihm sind, und die er b) selber entwickeln will. Am Ende des Coachingprozesses steht nicht ein williger Zombie, der nun noch besser funktioniert, sondern ein Mensch, der sich aus den eigenen Ressourcen heraus weiterentwickelt hat. Und zwar gemäß seiner inneren Anlagen. – Also Klartext: Über die Coachingziele entscheidet der Klient und sonst gar niemand. Und das setzt voraus, dass er/sie auch selbst entscheidet, welche Probleme als belastend empfunden werden und bearbeitet werden sollen. – Es gab aber auch schon einen Fall, wo die Unternehmer-Ehefrau einen Klienten zu mir sandte, damit er sich gefälligst in ihrem Sinne weiterentwickelte. Schon nach wenigen Sitzungen entschloss der Klient sich zur Abschaffung der Ehefrau und blühte anschließend so auf, dass das Coaching abgeschlossen werden konnte.

Ein Coach also ist Partei: Er steht immer auf der Seite seines Klienten, den er zu verstehen versucht, den er hält, und den er gegebenenfalls auch schützt. Dies mit gebotener professioneller Distanz: Konstant, positiv, zugewandt, doch ohne dabei zum Kumpel oder gar zum  Komplizen zu werden. Denn das wichtigste Kapital, das der Coach erwerben kann, ist Vertrauen. Würde er sich dieses erschleichen, um „hinten herum“ fremde Vorgaben zu erfüllen, wäre dies nichts anderes als ein Parteiverrat, wie er bei Anwälten zu Recht unter massive Strafdrohung gestellt ist.

Damit erledigt sich dann auch ein weiteres Problem: Manche Unternehmen wünschen nach Ende des Coachings einen „Abschlussbericht“, für welche Akte auch immer. Ich habe noch keinen Klienten erlebt, der dem zugestimmt hätte. Dann gibt´s eben auch keinen.
Denn ein/e Klient/in wird nicht manipuliert, sondern verändert. Zum eigenen Besten. Und sonst zu gar nichts.

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